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Straßburg – Millionen von Menschen, die zum Arbeiten in ein anderes EU-Land entsandt werden, sollen künftig besser vor Ausbeutung und Niedriglöhnen geschützt werden.

Das
EU-Parlament verabschiedete mit großer Mehrheit eine Reform der sogenannten EU-Entsenderichtlinie. «Das ist ein Riesenschritt hin zu einem faireren europäischen Arbeitsmarkt», erklärte der Vorsitzende der Europa-SPD, Jens Geier. Von Industrieverbänden und der FDP hingegen kam Kritik.

Die Mitgliedstaaten müssen die neuen Regeln bis Mitte 2020 umsetzen. Sie sehen unter anderem vor, dass ins Ausland entsandte Arbeitnehmer den gleichen Lohn bekommen und unter den gleichen Bedingungen arbeiten wie ihre lokalen Kollegen. Die Kosten für die Reise in das Land und für ihre Unterkunft dürfen nicht mehr von ihrem Lohn abgezogen werden, sondern müssen vom Arbeitgeber getragen werden. Entsendungen sind künftig auf ein Jahr beschränkt – mit der Möglichkeit einer Ausweitung auf 18 Monate.

Zuletzt arbeiteten offiziellen Angaben zufolge mehr als zwei Millionen entsandte Kräfte in einem anderen EU-Land, mehr als 400.000 in Deutschland. Viele von ihnen sind auf Baustellen tätig, in der Industrie, der Landwirtschaft oder in sozialen Berufen wie der Pflege. Am meisten Arbeitskräfte entsendet in absoluten Zahlen Polen, danach kommt Deutschland.

«Die neuen Regeln werden Ausbeutung und Lohntrickserei einen Riegel vorschieben, denn zu oft schuften entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Hungerlöhne, müssen zahllose Überstunden leisten und unter erbärmlichen Umständen hausen», teilte der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Udo Bullmann, mit.

Aber auch kleine und mittelständische Unternehmen in Deutschland profitierten, sagte Jens Geier von der Europa-SPD. Sie würden vor Dumping-Konkurrenz geschützt. Viele EU-Länder mit hohem Lohnniveau beklagen, die meist deutlich günstigeren Arbeitskräfte aus dem Ausland drückten die Löhne.

Die Grünen sprachen von einem «Sieg für das soziale Europa». «Mehr Geld am Ende des Monats kann das Vertrauen in die Europäische Union stärken», erklärte die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, Terry Reintke. Ein Manko bleibe jedoch, dass entsandte Arbeitskräfte im Transportsektor nicht von den neuen Regeln profitieren.

Die Richtlinie sieht zum Beispiel nicht vor, dass Fernfahrer in jedem Land, durch das sie fahren, den landesüblichen Lohn bekommen. Über deren Status berät der Verkehrsausschuss des Parlaments noch einmal gesondert am kommenden Montag.

Kritik kam aus der Industrie und von Arbeitgebern. Unternehmen, die Mitarbeiter ins EU-Ausland entsandten, stünden vor einem Flickenteppich nationaler Vorschriften, teilte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau mit. Die neuen Regeln lösten dieses Problem nicht. In Frankreich beispielsweise müssten Unternehmen Unterlagen über die Qualifikationen der entsandten Arbeitnehmer einreichen – auf Französisch. «Italien fordert eine Kontaktstelle im Land für die Zeit der Entsendung», hieß es.

Teils werde es leichter für Arbeitgeber, ihre Angestellten in Länder außerhalb der EU zu schicken, teilte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, mit. «Alle Arbeitgeber mit grenzüberschreitenden Aktivitäten werden mit Rechtsunsicherheiten und Bürokratie überzogen.» Nötig seien bessere Kontrollen und nicht Protektionismus.

Für die FDP ist die Reform ein «Anschlag auf den Binnenmarkt», wie der Vizechef der FDP-Fraktion im Bundestag, Michael Theurer, mitteilte. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit werde ausgehöhlt. Die Reform klinge zwar gerecht, sagte der liberale slowakische EU-Abgeordnete Richard Sulík. Doch es sei ungerecht, wenn Arbeitgeber nun auch noch die Reise- und Unterbringungskosten für die entsandten Kräfte tragen müssten. «Wie sollen die osteuropäischen Dienstleister mit den westeuropäischen konkurrieren?»

Über die Reform der mehr als 20 Jahre alten EU-Entsenderichtlinie wurde seit 2016 gestritten. Die Reform wurde nun von weiten Teilen der Sozialdemokraten, Konservativen, Grünen, Liberalen und Linken getragen.

Fotocredits: Patrick Pleul
(dpa)

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