Frankfurt/Main – Der Künstler ist erst 31 Jahre alt, und schon beschäftigt er sich mit dem Älterwerden. André Günther aus dem sächsischen Wurzen hat zu einer
Ausstellung zum Thema im Frankfurter Weltkulturen Museum ein großformatiges Graffiti beigetragen, das eine Seniorin beim Vorlesen zeigt.
Internationale Aussteller
In den Händen hält sie sowohl ein Märchenbuch als auch einen Tablet-Computer. «Die Digitalisierung und neue technische Möglichkeiten zum Ersetzen ganzer Körperteile verändern gerade sehr viel und es ist die Frage, wie das Alter in einigen Jahren überhaupt aussieht», sagt Günther.
Insgesamt 18 Künstler aus zehn Ländern haben sich an der Schau «Grey is the new pink – Momentaufnahmen des Alterns» (deutsch: «Grau ist das neue Pink») beteiligt. Unter den Werken befinden sich eine Fotoserie dreier Geschwister aus Nigeria, die alle über 100 Jahre alt geworden sind, und Bilder texanischer Mädchen, die gerade mit Lockenwicklern und Schminke auf einen Schönheitswettbewerb vorbereitet werden – und dadurch weitaus älter wirken, als sie sind.
Porträts und private Einsendungen
Im gleichen Raum sind Porträts vier betagter Rapper zu sehen, die in jugendlicher Verkleidung posieren. Als Kontrast sind davor mehrere «Würdestäbe» drapiert, die älteren Herren in Afrika Respekt verschaffen. Insgesamt hat das Museum 159 ethnographische Objekte in die Ausstellung integriert, darunter eine aus toten Vögeln hergestellte Paste, die auf Sumatra gegen Falten verwendet wird, und ein geheimnisvolles Harz, dem eine ähnliche Wirkung nachgesagt wird.
Präsentiert werden zudem mehr als 160 Fotos, Videos und Zeichnungen, die das Museum über einen weltweiten Aufruf von Privatpersonen zum Thema Altern erhielt. Sie zeigen ältere Menschen beim Spazieren, beim Karten- und Tennisspielen, am Strand. Einige Fotos zeigen Liebesszenen, andere mit Lendenschurz und Federschmuck bekleidete Senioren im Urwald. Eine alte Frau lacht in die Kamera, sie trägt einen pinken Hut.
Die meisten der insgesamt mehr als 350 Einsendungen zeigten ein positives und lebensfrohes Bild des Älterwerdens, sagt Kuratorin Alice Pawlik. Doch auch Krankheit und Tod sind abgebildet, die Ausstellung widmet dem Abschied vom Leben einen eigenen Raum. Eine Künstlerin zeigt dort Skizzen ihrer Oma in deren letzten Lebenstagen, eine andere hat eine 97-Jährige in ihrem Alltag porträtiert, beim Kochen, Haare eindrehen und Zeitunglesen.
Demographischer Wandel
«Das Altern beginnt ja eigentlich schon im Säuglingsalter», sagt Pawlik. Deshalb gehe es jeden an. Hinzu komme die immer älter werdende Bevölkerung, eine Entwicklung, die ein gemeinsames Handeln aller Generationen erfordere. Weltweit und in allen Kulturen gebe es einen hohen Respekt vor dem Alter. Zugleich gebe es überall eine persönliche und damit höchst unterschiedliche Sicht auf das Thema, die sich zudem im Laufe des Lebens stark wandele.
Moderne Medien im Alter
Auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse greift die 38-Jährige zurück. Auf einer Weltkarte sind Orte markiert, an denen Menschen sehr alt werden. Wiedergegeben sind auch Ratschläge des US-Autors Dan Buettner, der diese «Blauen Zonen» erforscht hat: Stress möglichst vermeiden, sich überwiegend pflanzlich ernähren und gut sozial sowie familiär integrieren. Eine andere Station zeigt Ergebnisse von Scans, wonach die Hirnstruktur älterer Menschen von einer halben Stunde Videospielen genauso profitieren kann wie vom Klavierspielen. Auf Fotos sind dazu die «Silver Snipers» zu sehen, ein Team mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren, das gegen andere Mannschaften im Computerspiel «Counter Strike» antritt.
Gezeigt werden auch Internetseiten, die ältere Fotomodelle mit großem Erfolg bei der Plattform Instagram betreiben, und der Auftritt der Märchen lesenden, 85 Jahre alten «MarmeladenOma» beim Video-Anbieter youtube. «Es gibt so viele verschiedene Perspektiven, dass wir hier auf die Frage, was ist Alter, keine Definition geben wollen, sondern zum Nachdenken und Diskutieren anregen wollen», sagt Kuratorin Pawlik. Das Museum zeigt die Ausstellung vom 26. Oktober bis zum 1. September 2019.
Fotocredits: Boris Roessler
(dpa)
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