Hamburg – Ein Sprung, eine schnelle Drehung und dann die filigrane Landung – wenn Dirk Hüfler Parkour macht, könnte man glauben, die Schwerkraft rund um den Kieler Germaniahafen sei augenblicklich ausgesetzt.
«Ich sehe die Stadt als großen Spielplatz», sagt der 54-Jährige, «wenn ich eine Mauer sehe, dann springe ich darüber. Wenn ich eine Bank sehe, dann springe ich eben darüber». Parkour ist ein sportlicher Lauf, bei dem die Athleten über Hindernisse klettern und springen müssen, um sich ihren Weg durch die Stadt zu bahnen.
Kaum noch Spaziergänger im Weg
In Zeiten von Corona tummeln sich in deutschen Innenstädten weitaus weniger Menschen. «Ich nutze das auch», sagt Dirk, «weil ich jetzt natürlich nicht so darauf achten muss, ob jemand im Weg ist». Weniger als sonst müsse er fürchten mit unachtsamen Spaziergängern, Kindern oder Hunden zusammenzustoßen.
Am anderen Ende des Germaniahafens trainieren Franzi Heyn und David Keck. Sie kennen Dirk als Trainer des Parkourkurses der Kieler Christian-Albrechts-Universität. Franzi versucht gerade ein waghalsiges Manöver, bei dem sie über ein Geländer springt. Dahinter geht es tief runter. Franzi ist hochkonzentriert. «Es geht nicht um Ästhetik, sondern darum schnell und effizient Hindernisse zu überwinden», sagt die 28-Jährige.
Bevor sie vor vier Jahren anfing, habe sie viel geturnt. Parkour mache sie allerdings am liebsten. Ihr Freund David stimmt ihr zu: «Man muss sein Gedächtnis auch erstmal darauf trainieren, eine Bewegung so zu machen, wie man sie möchte». Auch er hätte sich schon in anderen Sportarten versucht, die seien ihm aber zu langweilig gewesen, sagt der 29-Jährige.
Trainieren zu zweit
Franzi und David trainieren in der Coronakrise zu zweit und dürfen dies auch, da sie zusammen wohnen. Die Corona-Beschränkungen würden aber auch sie belasten, «weil wir uns in der Gruppe einfach nicht mehr treffen dürfen, das ist das Problem», sagt Franzi.
Kein Einzelfall, findet Lucas Flümann von der Deutschen Sporthilfe und betont:. «Was diese Szene auch ausmacht, sind die so genannten Jams». Das seien Veranstaltungen, bei denen sich die Action-Athleten herausfordern, einander Tipps geben und miteinander feiern. «Und das findet alles gerade nicht statt. Also schon ein elementarer Teil, der die Szene ausmacht, geht verloren», bedauert er.
Flümann betreut das Projekt «Our House» der Deutschen Sporthilfe. Ziel sei die Unterstützung von Action-Sportlern wie BMXern, Skatern oder Parkourläufern, damit sie ihrem Hobby neben dem Beruf auf einem professionellen Level weiterverfolgen können. Um mitmachen zu können zähle aber nicht nur die athletische Leistung. Auch Werte wie der gegenseitige Respekt und das Inspirationspotenzial für die Szene seien wichtig. Was alle Action-Sportarten zur Zeit eint, sagt Flümann, ist dass die Coronakrise auch hier viele wichtige Zusammenkünfte verhindert.
Spezielle Situation durch Corona
Die jetzige Situation könne für ihn sogar gefährlich werden, betont der
Kieler Parkourläufer Dirk Hüfler: «Wenn ich irgendwo runterfalle oder mir doch etwas passieren sollte, bin ich alleine». Passiert sei ihm zwar noch nichts, die Angst begleite ihn natürlich trotzdem: «Parkour ist Kopfsache. Man ist in der Halle, springt 2,50 Meter, unter dir ist eine weiche Matte. Dann bist du hier draußen, siehst die 2,50 Meter genauso, und denkst, dass schaffe ich nie».
Gerade trainiert Dirk vor allem die Grundlagen. In der Coronakrise möchte auch er keine Risiken eingehen. Wie für viele Kieler gelte auch für ihn: Auch wenn der Alltag allmählich zurückkehrt, will er keine Wagnisse eingehen.
Fotocredits: Frank Molter
(dpa)
Kommentieren nicht möglich