Berlin (dpa/tmn) – Anschläge auf die Flughäfen von Istanbul und Brüssel, in der Paris Innenstadt, am Hotelstrand in Tunesien: Der Terror jagt den Menschen Angst ein und zerrt an den Nerven derer, die ihren Urlaub planen. Für die Reiseveranstalter und Reisebüros wird damit ein Thema immer wichtiger, über das lange Zeit relativ ungern gesprochen wurde – die Sicherheit des Urlaubers.
Fast jeder Dritte lässt sich bei seiner Urlaubsplanung vom Terror beeinflussen, hat das Meinungsforschungsinstitut Emnid ermittelt. Am Thema Sicherheit kommen die Reiseanbieter also nicht mehr vorbei. Doch der Umgang damit ist unterschiedlich. Besonders offen gegenüber den Kunden ist etwa Studiosus. Der Münchner Veranstalter von Studienreisen informiert auf seiner Internetseite prominent und aktuell über weltweite Sicherheitsprobleme.
«Andere versuchen nach wie vor eher den Vogel Strauß», hat Tourismusforscher Torsten Kirstges von der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven beobachtet. «Sie greifen Fragen nicht auf und versuchen die Problematik zu verdrängen und auszusitzen.» Mutmaßlich aus Sorge, durch das Ansprechen von Sicherheitsaspekten Kunden zu verunsichern oder gar abzuschrecken. Doch diese Taktik, findet Kirstges, mache wenig Sinn. Das Thema sei bereits in den Köpfen der Kunden präsent.
«Wir werden damit leben müssen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit auf der Welt gibt», sagt Ulrich Heuer, der bei Tui das Krisenmanagement leitet. Er weist auf die weltweite Terrorwarnung des Auswärtigen Amts hin. Die Beschwörung, dass man mittlerweile fast nirgendwo ganz sicher sei, wird von der Industrie stetig wiederholt. Die Krisenzentren der Veranstalter – Tui ist hier nicht allein – reagieren im Ernstfall schnell. Doch reicht das?
Kirstges findet, dass das Thema Sicherheit bereits in die Reisebeschreibung gehört. «Das meint dann nicht nur Sicherheit vor terroristischen Anschlägen, welche man letztlich natürlich nicht zu hundert Prozent garantieren kann.» Der Tourismusprofi denkt auch an die Aspekte Diebstahl, Belästigung oder Sicherheit am Hotelpool. Doch so eine Beschreibung zu lesen, macht natürlich wenig Lust auf Urlaub.
Jahrzehntelang war die Sicherheit auf Reisen kaum ein Thema. Sie konnte meist vorausgesetzt werden. Doch das ist heute anders. «Das Sicherheitsbedürfnis muss nun explizit thematisiert und im Rahmen des Möglichen befriedigt werden», sagt Kirstges. Erster Ratgeber kann der Mitarbeiter im Reisebüro sein. «Die Beratungsgespräche dauern länger, die Kunden sind unentschlossener», sagt die Vorsitzende der Geschäftsführung beim Veranstalter Thomas Cook, Stefanie Berk.
Das Problem: Ob ein Urlaubsort sicher ist, lässt sich oft erst sagen, wenn dort ein Anschlag passiert ist – dann weiß man, dass es nicht so war. Die Reisebranche kann sich bei der Beurteilung der Lage nur an den Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes orientieren. Was nun aber der Hinweis «Es wird zu erhöhter Vorsicht geraten» genau für den eigenen Urlaub bedeutet, ist Interpretationssache.
Länder, für die es eine explizite Reisewarnung gibt, werden laut dem Deutschen Reiseverband (DRV) von deutschen Veranstaltern nicht angeboten. «Wird für ein Land eine Reisewarnung ausgesprochen, wird es sofort aus unserem Programm gestrichen und kein Urlauber mehr dorthin gebracht», bestätigt Ulrich Heuer für die Tui. Zudem werde bei einem verschärften Reisehinweis des Auswärtigen Amts «maximale Kulanz» gewährt. Kostenlose Umbuchungen und Stornierungen sind dann möglich. Das gilt derzeit etwa für Reisen nach Istanbul.
Wird die Sicherheit auf Reisen in Zukunft genauso kommuniziert und vermarktet wie der schöne Strand und das Ausflugsprogramm? Tui-Mann Heuer hält das für «unseriös» – weil eine Gefährdung nie objektiv bestimmt werden kann. «Absolute Sicherheit kann niemand gewährleisten.» Es sei Aufgabe der Reiseveranstalter, die Kunden aufzuklären und Transparenz zu schaffen. Gleichzeitig sollen sie aber immer noch Urlaub verkaufen – ein schwer lösbarer Widerspruch.
Fotocredits: Matthias Balk
(dpa)
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