Tromsø – Die Sonne strahlt fahl zwischen zwei Schleierwolken hervor. Der Wind fegt in Böen über das gekräuselte Wasser des Pools. Zwölf Grad zeigt das Thermometer an diesem Morgen im Europäischen Nordmeer, irgendwo westlich der norwegischen Küste.
Maurice aus dem Trainerteam der «Mein Schiff 5» tippelt frierend von einem Bein aufs andere. «Vorher war ich in der Karibik», sagt er. «Ich glaub‘, hier bräuchte ich mal ’ne Mütze.» Den Gästen hingegen macht das Wetter nichts aus. Schon gar nicht hält es sie von ihrem morgendlichen Sportprogramm im Pool ab. Nicht nur erholt, nein, auch fit und gesund wollen sie am Ende des Urlaubs von Bord gehen.
Die Reedereien haben sich mittlerweile eingestellt auf diese Gäste. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich Kreuzfahrtpassagiere ohne Pause durch die Restaurants schlemmten, um anschließend auf der faulen Haut zu liegen. Deutsche wie auch amerikanische Schiffe sind längst zu Tempeln der körperlichen Ertüchtigung und, ja, auch des gesunden und ausgewogenen Essens geworden. Zumindest für die, die wollen.
Das Angebot reicht von riesigen Fitnessstudios über Kletterwände bis hin zu Surfsimulatoren, von gesunden Menüs bis zu ganzen Restaurants, in denen man dicke Soßen und zuckrige Desserts vergeblich sucht.
Wer dem reichhaltigen Essensangebot sportlich etwas entgegensetzen will, ist auf einer Sieben-Tage-Reise mit zwei bis drei Sporteinheiten gut dabei, sagt Anna Wiesauer. Die Sportwissenschaftlerin aus Österreich arbeitet zeitweise als Trainerin auf der «Mein Schiff 5». Fast alle Reedereien bieten Sportkurse mit unterschiedlichem Fokus an – von Aquafit im Pool (auch bei zwölf Grad im Nordmeer) über Yoga bis zu forderndem Ganzkörpertraining.
Viele Schiffe von US-Reedereien warten zusätzlich mit Fun-Sportarten auf. Das neueste Mitglied der Royal-Caribbean-Flotte – die «Symphony of the Seas» – hat eine rund zwölf Meter hohe Kletterwand und künstliche Surfwelle zu bieten. Aida Cruises und Tui Cruises haben Mountainbikes und Pedelecs an Bord, mit denen sich sportliche Gäste auch an Land fit halten können. In manchen Häfen werden zudem Jogging- oder Walkingtouren angeboten.
Aber auch abseits des eigentlichen Sportangebots kann man sich an Bord eines Kreuzfahrtschiffs ordentlich bewegen. Die von Experten immer wieder als Zielmarke vorgegebenen 10.000 Schritte pro Tag zu schaffen, ist etwa auf einem Schiff von der Größe der «Mein Schiff 5» an einem ganz normalen Seetag kein Problem.
Bleibt das Essen. Und da ist es im Grunde egal, auf welchem Schiff der Gast durchs Meer pflügt: Es ist allgegenwärtig. Während in den unteren Decks unzählige Restaurants auf Gäste warten, lauern gleich neben dem Pool wahlweise Burgerstationen, Döner-Kebab-Läden oder – ganz böse – Eisdielen.
Trotzdem bemühen sich die Reedereien auch hier um Hilfestellung: Aida Cruises etwa hat Stationen mit gesunden Speisen am Buffet eingerichtet. Sie sind mit dem Hinweis «Body & Soul Food» gekennzeichnet. Royal Caribbean bietet «Vitality Menüs» an. Celebrity Cruises setzt vor allem im «AquaSpa-Café» auf gesunde Küche.
«Es gibt schon immer noch die, die auf einer Kreuzfahrt schlemmen wollen», sagt Wolfgang Kiessling, Executive Chefkoch auf der «Mein Schiff 5». Um der zunehmenden Nachfrage nach gesunden Speisen nachzukommen, hat aber auch Tui Cruises «Ganz-schön-gesund»-Menüs kreiert. Sie werden in allen Hauptrestaurants angeboten, auf der neuen «Mein Schiff 1» gibt es gar ein eigenes Restaurant für Freunde gesunder Speisen. Bei dem Konzept geht es nicht nur ums Kaloriensparen. «Wir verwenden für das Ganz-schön-gesund-Angebot auch möglichst unverarbeitete Speisen und achten auf eine ausgewogene Zusammensetzung.»
Kalorien nehmen Kreuzfahrer allerdings vielfach nicht nur in fester, sondern auch in flüssiger Form zu sich. Schließlich gibt es Bier, Wein und klebrig-süße Cocktails, wo auch immer der Blick hinfällt. Unterschätzen sollten gesundheitsbewusste Kreuzfahrer das nicht, sagt Trainerin Anna Wiesauer. Alkohol enthält reichlich Kalorien und vor allem viel Zucker. Ein kleines Glas Weißwein (0,1 Liter) etwa schlägt mit rund 70 Kalorien zu Buche. Zu viel Alkohol konterkariert zudem das Sportprogramm. Ähnlich wie beim Essen lautet daher auch hier die Devise: Maß halten.
Die Damen und Herren im Pool haben das ganz offensichtlich getan. Jedenfalls pflügen sie in aller Herrgottsfrühe giggelnd durchs Wasser und gleichen dabei auch noch geschickt die Schiffsbewegungen im aufgewühlten Nordmeer aus. Im Whirlpool kommt anschließend die Frage auf, wie lange es eigentlich Frühstück gibt. Niemand weiß es. Irgendwo wartet immer ein Snack auf diesem Schiff.
Ja, es geht schon, das gesunde Kreuzfahren. Ein bisschen guter Wille gehört aber definitiv dazu.
Fotocredits: AIDA Cruises,Andrea Warnecke,Andrea Warnecke,Teresa Nauber,TUI Cruises,Teresa Nauber,Frances Janisch,TUI Cruises,Roy Riley
(dpa/tmn)
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